San Sebastián – oder Donostia, wie es auf Baskisch heißt – stand eigentlich gar nicht auf unserem Reiseplan, der mich und meine Freunde von der Uni an die französische Atlantikküste geführt hatte. Dort verbrachten wir einige Wochen hauptsächlich an den Stränden. Das Wetter war wie gewünscht hervorragend. Daher hatten wir viele Gelegenheiten zum Surfen und Baden in den Wellen des Atlantiks. Doch immer nur Strandleben ist dann doch ein wenig fad, sodass wir auch mehrere Ausflüge in unser Urlaubsprogramm einbauten. Die meisten führten uns zu Sehenswürdigkeiten in Frankreich, hauptsächlich im baskischen Teil. Auch das schöne Seebad Biarritz hatten wir dabei erkundet. Wir schlugen dann – im Wortsinn – unsere Zelte in Saint-Jean-de-Luz auf. Von dort sind es nur noch 15 km zur spanischen Grenze und knapp 35 km bis nach San Sebastián. Also ging es an einem Mittwoch Morgen mit dem Wagen über die spanisch-französische Grenze bis in diese mit ihren 186.000 Einwohnern wunderbar direkt an der Bucht La Concha gelegene Metropole, die 2016 noch Kulturhauptstadt Europas gewesen war. Und genau dorthin nehme ich euch jetzt mit: Kommt mit mir nach San Sebastián!
Ganz San Sebastián ist von der Bucht geprägt
Von der Grenze Frankreichs aus waren es also nur noch 20 km und zu unserem Erstaunen fanden wir an einem Wochentag mitten in der Stadt problemlos einen Parkplatz. Wir waren also bereit für einen kompletten Tag in San Sebastián, der einige sehenswerte Plätze und Überraschungen für uns bereithalten sollte. Wir waren ganz touri-like im August da und haben daher das jährliche Filmfestival Festival Internacional de Cine de San Sebastián im September knapp verpasst. Der Hauptpreis dieses Filmfestivals der A-Klasse ist übrigens die „Concha de Oro“, die Goldene Muschel, benannt nach eben jener wunderbaren Bucht, an der San Sebastián liegt. Dort findet man auch die Playa de la Concha, einen der schönsten und bekanntesten Strände Spaniens, wenn nicht ganz Europas. Er zieht sich über fast das gesamte Ufer der Bucht hinweg und war natürlich auch an jenem Tag reichlich mit Badegästen bevölkert. Aber wir waren ja nicht zum (Sonnen-)Baden gekommen, das konnten wir schließlich auch an unserem französischen Domizil tun. Hier galt es, eine Stadt mit all ihren Sehenswürdigkeiten an nur einem Tag zu erkunden. Und das taten wir dann auch.
Einheitlich historisch orientierte Architektur
Zunächst einmal wollten wir uns orientieren und schlenderten mehr oder weniger ziellos durch die Gassen und Straßen von San Sebastián. Hier fiel sofort auf, dass San Sebastián irgendwie anders ist als die meisten Städte, die zwar über einen alten Stadtkern verfügen, aber ansonsten modern und oft unansehnlich gewachsen sind. In San Sebastián ist die Architektur auch normaler Wohnhäuser so gestaltet, dass es locker noch 1750 sein könnte, sieht man von der Elektrifizierung ab. Es gleicht beinahe einer kleinen Zeitreise, durch die rund um die Bucht La Concha gelegenen Viertel zu spazieren.
Wir hielten uns hauptsächlich in der Altstadt auf, dem zentralen Viertel der Stadt, in dem auch die sehenswertesten alten Gebäude zu finden sind. Die Altstadt liegt zwischen der Playa de la Concha und dem Fluss Urumea, der die Stadt noch einmal auflockert, indem er sich durch die engen Gassen schlängelt. Zunächst frühstückten wir in einem der nicht gerade günstigen, aber unheimlich reizvollen Café in der Nähe des Parks Gipuzkoa. Eine der wenigen Grünflächen im zentralen Teil von San Sebastián. Von hier aus liefen wir weiter durch die Straßen der Stadt, die auch viele Möglichkeiten zum Shopping bietet. Anders als in den meisten deutschen Innenstädten befinden sich in San Sebastián die Filialen großer Ketten meist in historischen Gebäuden. Dadurch verbreiten sie ein ganz anderes, viel weniger steriles Flair.
Relaxte Lebensart quillt aus allen Gassen
Echtes Highlight war dann die Artzain Onaren katedrala, zu Spanisch: Catedral del Buen Pastor. 75 m hoch ist ihr Turm und fast 100 m ist sie lang. Ein imposantes Gebäude, selbst wenn man schon viele Kathedralen dieses Planeten gesehen hat. Zudem galt auch hier wieder: Auf dem Platz vor der Artzain Onaren katedrala spürt man trotz vieler Touristen diese relaxte Lebensart in San Sebastián. Hier herrscht keine Hektik und freundlich sind die Leute noch dazu, offenbar noch nicht genervt von den vielen Besuchern.
Ganz plan- und ziellos waren wir dann doch wieder nicht. Ein paar Infos über unser Reiseziel hatten wir uns im Voraus angelesen. Und so war unser nächstes Ziel eines für die Liebhaber historischer Verkehrsmittel. Am Ende der Playa de la Concha gelegen gibt es in San Sebastián eine ziemlich abgefahrene Seilbahn. Allerdings ist diese eher mit einer Zahnradbahn vergleichbar. Denn es ist keine in der Luft schwebende Gondel, mit der man sich einen Hügel hinaufbewegt, sondern eine von einem Seil über seine Schienen gezogene Seilbahn. Total ungewohnt ist, dass die Wagen dieser Seilbahn genauso schräg konstruiert sind, wie es der Berg an dieser Stelle ist. Die Gäste in der ersten Reihe sitzen also einige Meter tiefer als jene in der letzten Reihe. Die Fahrt mit einer solchen Bahn, die hier „Funicular Monte Igueldo“ heißt, ist einfach ein ganz eigenes Erlebnis. Oben angekommen, wird man mit einem fantastischen Ausblick über die Stadt belohnt. Zwar gibt es hier auch noch einige Fahrgeschäfte und kleine Achterbahnen, dafür war uns unsere Zeit dann aber zu kurz.
Stattdessen stromerten wir von da aus erst wieder zurück in den Norden und dann weiter ostwärts. Über die „puente del Kursaal“ erreichten wir einen zweiten Strand der Stadt, La Zurriola. Dieser wird aber hauptsächlich zum Surfen genutzt. Dafür waren wir ja nicht hierhergefahren, also ging es wieder zurück über den Urumea in die Altstadt. Hier gönnten wir uns dann ein Bierchen am Plaza de la Constitución. „Ola!“, begrüßte uns die Bedienung. Wir sprechen alle kein Spanisch und hielten das zunächst für einen Scherz. Wieso sagt die Dame „Hallo“ rückwärts? Bis es uns dämmerte, dass das nun mal Spanisch ist.
Reges Treiben herrschte auf der einerseits zwar ziemlich kleinen, dafür unheimlich charmanten Plaza de la Constitución. Von hier zogen wir weiter in eine der Bars in der Altstadt. Auch hier konnte man wieder das Leben in den engen Gassen genießen. Wir entschieden uns für eine Bar mit Blick auf die kleine Marina La Gomera, die sich am Nordostende der Bucht La Concha befindet.
Aussicht über wahnsinnig viele Segelboote vor San Sebastián
Als letzter größerer Programmpunkt folgte das „Erklimmen“ des Bergs Urgull, der ganz an der Nordseite der Altstadt liegt und von Bucht La Concha und Fluss Urumea eingeschlossen ist. Wobei „Berg“ hier ebenso übertrieben ist wie „erklimmen“. Der Urgull ist etwa 90 m hoch, aber komplett bewaldet. Der Marsch hinauf war trotz der Hitze nicht allzu beschwerlich. Schließlich findet man auf dem Urgull nicht nur kühlere Luft an einem heißen Sommertag.
Vor allem erhält man von seiner Spitze aus eine wirklich atemberaubende Aussicht über die komplette Stadt San Sebastián sowie über die Bucht, das Meer und die scheinbar zahllosen Segelboote, die sich an solch einem Sommertag von San Sebastián aufs Meer hinausbewegen. Die auf der Spitze des Urgull befindliche 12,5 m hohe Christus-Statue gilt als Wahrzeichen der Stadt, weil sie von überall aus sichtbar ist. Sie hat uns aber weniger beeindruckt und mitgerissen als die Aussicht auf das Leben in der Stadt und die vielen Boote auf dem Meer vor der Bucht. Dass die Statue nachts angestrahlt wird und der Stadt so zusätzlichen Charakter verleiht, erlebten wir allerdings nicht mehr. Wir machten uns noch vor Einbruch der Dunkelheit auf den Rückweg. So entging uns leider auch eine regionale, kulinarische Spezialität: Jeden Abend beladen die Bars ihre Theken mit unzähligen verschiedenen Tapas, Fingerfood und anderen Häppchen zu einem verlockenden Buffet.
Estadio Anoeta ist eine riesige Muschel aus Beton
Als große Fußballfans gönnten wir uns auf dem Fußweg zu unserem Wagen vor Abfahrt zurück nach Frankreich aber noch einen Besuch des Fußballstadions von San Sebastián, dem Estadio Anoeta. Leider war es zu diesem Zeitpunkt für Besucher nicht zugänglich. Dennoch war es uns einen Besuch wert, denn seine Struktur und Fassade sind dennoch beeindruckend. Angesichts der Bucht und des Strands von San Sebastián, ist es wenig verwunderlich, dass auch das Estadio Anoeta der Form einer Muschel nachempfunden ist – allerdings aus Beton. Inzwischen wird es zwar umgebaut, allerdings nur im Inneren, sodass sich an seiner Attraktivität für alle Freunde von Stadionarchitektur nichts ändern dürfte.
Eindrücke aus San Sebastián dauerhaft mitgenommen
Fazit unseres Tages Städtetour im Baskenland: Der Trip nach San Sebastián war im Prinzip das Highlight unseres längeren Aufenthalts am Atlantik. Eine derart schön in einer Bucht gelegene Stadt habe zumindest ich bislang noch nirgendwo anders gesehen. Und die spanisch-baskische Lebensart und die einheitlich historische Architektur trugen dazu bei, dass wir alle begeistert aus San Sebastián zurückkehrten, um am nächsten Tag mit vielen frischen Eindrücken im Kopf wieder aufs Surfbrett zu steigen. Ich kann euch daher nur empfehlen, bei einem Urlaub im Baskenland ein oder mehrere Tage in San Sebastián zu verbringen!