Unser Autor singt ein Loblied auf den britischen Smalltalk – doch warum? Auf seiner England-Rundreise hat er die Bekanntschaft vieler Engländer gemacht und das Inselvolk kennen und lieben gelernt. In seinem Reisebericht verrät er euch, was er auf seiner Rundreise – vor allem in den Pubs – alles erlebt hat.
Wie kommt es dazu, dass ich den britischen Smalltalk so in die Lüfte loben möchte? Na, weil ich letztes Jahr selbst Augenzeuge davon geworden bin! Das fing alles so an: Aus einer Verspätung meiner Schiffsverbindung über den Englischen Kanal (auf Englisch schlicht „the Channel“ genannt) sollte sich mir im wahrsten Sinne die Tür zu einem südenglischen Pub und den Menschen darin öffnen. Meine Abenteuerfahrt auf die Britischen Inseln hatte nämlich eine klitzekleine Wende erfahren, als mir der Ticketverkäufer am Terminal der Fährunternehmung „P&O“ beim Einchecken mit Bedauern eine zweistündige Verspätung ankündigte. Bis dahin hatte mich die Fahrt aus der Schweiz mit dem Auto ziemlich auf geradem Weg – sprich ohne Stau und Baustellen – durch Frankreich geführt. Es leben die französischen Autobahnen! Na gut, ich spreche jetzt von den mautpflichtigen privaten Straßen, deren sauberen Raststätten und WC-Anlagen sowie den kleinen Parks mit den zahlreichen Picknickplätzen.
Auf dieser Reise war ich übrigens nicht ganz alleine, denn mein treuer vierbeiniger Begleiter namens Janosch, ein waschechter Labrador, machte es sich dank seiner Hundehalterung gleich auf dem Beifahrersitz bequem. Vor uns lagen vier Wochen Erkundungen im Land von Shakespeare und Sherlock Holmes. „Mist“, dachte ich also zuerst in Kenntnisnahme der Verspätung. Denn ich wollte doch durch meine minutiöse Reiseplanung noch vor dem Berufsverkehr bei meinem englischen Freund Brendon in London ankommen. Was tut also ein erfahrener Reisejournalist, um nicht in den Sog des Londoner Abendverkehrs zu geraten? Richtig, er „weicht aus“ und feilt entweder auf einer Raststätte an einem seiner vielen Texte herum. Oder aber er guckt sich die Wegweiser etwas genauer an und biegt kurz vor dem Stau nach links ab. Nicht vergessen, in Großbritannien herrscht Linksverkehr, auch auf den Autobahnen! Gesagt, getan: Die Ausfahrt Hastings klang ganz nett und erinnerte mich natürlich an diesen geschichtsträchtigen Ort anno 1066, als dort der normannische Eroberer William the Conqueror die damaligen Angeln und Sachsen besiegte und untertan machte.
Teil 1: Sich als Tourist outen
Nachdem ich von der Autobahn abgebogen war und mich nun auf den Weg nach Hastings machte, schaltete ich gleich mein GPS-Navigationsgerät ein. Per Knopfdruck erhielt ich aus dem Lautsprecher dieses wichtigen Reiseinstrumentes innert Sekunden Vorschläge zu interessanten Sehenswürdigkeiten. Darunter auch „Schlachtfeld Hastings“. Das tönte doch schon nach grünen Feldern und etwas frischer Luft. Und der mit dieser Sehenswürdigkeit verknüpfte Name hieß auch noch „Battle Abbey“. „Also eine ehrwürdige Kathedrale, direkt beim Schlachtfeld, das wird mein erstes Ziel“, dachte ich mir. Als ich dann mit der einsetzenden Dämmerung in der Ortschaft „Battle Abbey“ ankam und direkt auf den Zugang der Kathedrale zusteuerte, wies mich der dortige Pförtner darauf hin, dass dies eine private Schule sei und die eigentliche Kathedrale auf Schulgrund liege. Diese sei nur an den Wochenenden zugänglich.
Nun, der Durst machte sich langsam breit und so parkte ich erst mal. Mit dem ersten Fuß auf britischem Boden atmete ich zum ersten Mal also Inselluft ein und folgte meiner Nase durch das mittelalterliche Dorf. Und da erschien „es“ schon, ein einladendes südbritisches Pub! Ganz typisch mit Holztischen und Bänken vor dem Eingang, hängenden Blumen vor den Fenstern und als eine Art Fachwerkbau, mit spitzem Giebeldach und einem halben Dutzend Schornsteinen. Und drinnen frohlockte eine fröhliche Schar Männer um den Tresen herum. Als ich mich bei der Bestellung über ebendiesen Tresen lehnte, quasi zwischen den Typen hindurch, und nach einem anfänglichen Räuspern meine Bestellung kundtat, passierte es. Fast wie auf Knopfdruck drehten sich alle um und begrüßten mich wie einen alten Bekannten! War es mein mit einem Schweizerdeutsch unterlegter Akzent? War es mein Aussehen? Ich weiß im Nachhinein: Es war bloß meine Art und Weise, nach einem Bier zu fragen. Denn meine Bestellung lautete ganz einfach: „Ich möchte gerne etwas haben, das die Einheimischen (auf Englisch „locals“) trinken!“ Somit outete ich mich als Fremder und Tourist, was sogleich eine Kettenreaktion auslöste …
Teil 2: Sich einen Drink spendieren lassen
Warum mein Erscheinen so viel Interesse aufgeworfen hatte, weiß ich nicht. Es lag sicher nicht an meinem T-Shirt mit dem leuchtenden Schweizerkreuz, auch nicht an meinem süßen Hund. Dieses Willkommenheißen gehört einfach zur angelsächsischen Kultur, Punkt! Und wo lässt sich diese Tradition besser ausleben als in einem britischen Pub? Hier bestellt man die Getränke oder das Essen – ja, in den Pubs gibt es dazu noch leckeres Essen – direkt am Tresen. Und bezahlen tut man nicht am Tisch, ebenso wenig wie zu warten, bis die Kellnerin zu einem kommt. Nein, man begibt sich wieder an den Tresen.
Großer Vorteil dabei: Man kommt unweigerlich ins Gespräch und führt Smalltalk! Zu meinem persönlichen Smalltalk im besagten südenglischen Pub kam kurz nach dem Kennenlernen das „Was nimmst du?“, auf Englisch „What are you having?“ Das ist jeweils keine Frage aus Interesse, sondern eine Einladung. Man spendiert mit diesem Satz dem anderen sozusagen eine Runde. Und weil gleich drei Engländer mir im Verlaufe des Abends dieselbe Frage gestellt hatten, kam ich in den Genuss von mehreren Bieren.
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Teil 3: Sich einfach gehen lassen
Trotz der sich zunehmend verbreitenden Heiterkeit, ausgelöst durch die lokalen Biere (auf Englisch „Ales“), merkte ich, dass die neugewonnenen Freunde durchaus an einer längerfristigen Freundschaft interessiert waren. Da offerierte mir der Erste eine Übernachtungsmöglichkeit, während der Zweite mir von der bevorstehenden Junggesellenreise in die Schweizer Alpen erzählte. Der Dritte wiederum beschwor mich richtiggehend, am Schluss meiner Reise durch die Britischen Inseln wieder einen Halt im Pub zu machen. Das machte Sinn, denn die historische Kathedrale liegt in ebendieser privaten Schule im Ort und kann nur an einem Wochenende besucht werden, wenn die Schülerinnen und Schüler nicht anwesend sind. Zudem, wollte ich eigentlich nicht ursprünglich nach Hastings?
Ihr seht, eine Reise kann man fast minutiös vorbereiten und sich gedanklich die zu besuchenden Orte im Kopf „durchspulen“ lassen. Aber in meinem Fall erwies sich die Verspätung der Schiffsfähre als wahrer Segen. Es wurden an einem Abend Freundschaften fürs Leben geschlossen, dank ebendiesem Smalltalk, der vor allem im Süden Großbritanniens so richtig gelebt wird! Dass die Schotten, Waliser und (Nord-)Iren ebenfalls ihren Smalltalk lieben, mag sein – mein Hoch gilt aber ganz klar auf den britischen Smalltalk in Südengland. Cheers!
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